Süddeutsche Zeitung 2./3.Juli 2011

Offenheit im Klang

Cornelia Löscher gehört zu den Dauergästen der Barocknacht Olching
Zunächst ist es naheliegend, eine Einspielung der drei Partiten für Violine solo von Johann Sebastian Bach mit einem Attribut wie „Einsamkeit“ zu versehen. Tatsächlich ist der Interpret mit seinem Instrument und dessen Möglichkeiten alleine und verschmilzt im Idealfall mit der Musik. Umso erfreulicher ist es, wenn sich diese Einsamkeit für die Kommunikation hin zum Hörer öffnet und sich nicht selbst genügt. Das ist wohl auch mit dem Titel „Fülle der Einsamkeit“ gemeint, den die CD mit der Salzburger Geigerin Cornelia Löscher trägt, die in der noch jungen Reihe der „Eleven-Eleven- Edition Michael Schopper“ erschienen ist. Die Einspielung entstand in der Kulturwerkstatt Olching am Mühlbach (Kom), der Stätte also, an der Cornelia Löscher in den vergangen Jahren wiederholt bei Eleven-Eleven-Matineen und bei Barocknächten höchst erfolgreich aufgetreten ist.
Von der Grundanlage her sind die Partiten für Violine solo Suiten mit einer Folge aus mehreren Tanzsätzen. Besondere Herausforderungen stellen sich für den Interpreten insofern, als Bach die harmonische Dimension der Kompositionen nicht nur allein durch den linearen Verlauf auf dem Melodieinstrument Geige umsetzt, sondern die Akkorde durch Zusammenklänge auf bis zu vier Saiten auch gleichzeitig erklingen lässt. Der Bach´sche Notentext lässt hier verschiedene Möglichkeiten der Übertragung in Klang zu, entscheidend ist die Schlüssigkeit der jeweiligen Interpretation.
Cornelia Löscher setzt auf einen sehr geraden, zielgerichteten Ton, der aber dank seines Obertonreichtums wunderbar substanzreich ist. Diese Offenheit im Klang, die die Geigerin mit nur ganz wenig Vibrato erreicht, ermöglicht eine fein differenzierte Phrasierung, zum Beispiel mit der Corrente der Partita h-moll. Dadurch entsteht nicht nur ein musikalisch sinnvoller Verlauf, vielmehr nimmt die Musik sozusagen direkt Kontakt mit dem Hörer auf und bezieht ihn ein, in einen äussert vitalen Gesamteindruck.
Dass ein klar durchgehaltenes Metrum als stabiles Fundament dieser Musik für Cornelia Löscher dabei ein unverzichtbares Anliegen darstellt, beweist unter anderem auch die Allemanda der Partita in d-moll. Selbst diejenigen Sätze, in denen zahlreiche, hier kraftvoll gebrochene Akkorde oft kleine Verzögerungen nach sich ziehen, folgen dieser Vorstellung, was einen ganz fliessenden, organischen Ablauf ermöglicht. Mit fast einer Viertelstunde Spieldauer nimmt die berühmte Ciaconna in der Partita d-moll einen dominierenden Raum ein. Cornelia Löscher gelingt es, einen grossen Spannungsbogen über die mehr als dreissig Variationen zu ziehen, aber auch eine Art Binnenspannung in jede Wiederholung des harmonischen Verlaufs zu legen. Dadurch entsteht eine nicht nur technisch makellose, sondern auch musikalisch überzeugende Wiedergabe dieses höchst anspruchvollen Satzes.
Auch bei der diesjährigen Barocknacht im Olchinger Kom ist Cornelia Löscher wieder mit von der Partie, und zwar mit Solo-Capricen unter anderem von den italienischen Barockmeistern Pietro Antonio Locatelli und Niccolo Paganini.
Klaus Mohr